Wie in unserem ersten Kompost-Blogartikel “Kompost ist nicht gleich Kompost” (Link) beschrieben, ist die Anzucht von Jungpflanzen oft etwas tricky und hängt von so vielen Faktoren ab, dass selbst ambitionierte Gärtner:innen oft das Handtuch werfen. Natürlich können mit der Auswahl qualitativ hochwertigen und getesteten Saatguts und den richtigen Bedingungen (die wir z.B. mit Hilfe unserer Growbox einfach und platzsparend zu Hause schaffen können) erste Schritte in die richtige Richtung getan werden. Doch eine der entscheidenden Ressourcen ist auch das Medium, in dem unsere Jungpflanzen heranwachsen - die Erde bzw. der Kompost. Die Qualität des Komposts hat riesigen Einfluss auf die Qualität unserer heranwachsenden Jungpflanzen, denn eine Zelle unserer Anzuchtplatte hat nur ein Volumen von 35 ccm (wie in etwa ein Schnapsglas). Das ist absolut ausreichend - aber natürlich nur sofern die Qualität des Komposts stimmt. Leider ist dies nicht immer der Fall:
Nachdem sowohl Kunden als auch ich selbst unterschiedliche Ergebnisse bei der Anzucht von Jungpflanzen beobachtet hatten – von gelben Blättern bis hin zu schlechter Keimung – wurde mir klar, dass der Schlüssel zum Verständnis dieser Variabilität in der Qualität des verwendeten Komposts liegen könnte. Während mein eigener Kompost in der Regel einwandfrei funktionierte, waren mit gekauften Kompostsorten die Ergebnisse oft unvorhersehbar. Klar, ich kann selbst bestimmten bzw. kontrollieren, was im Bio-Mülleimer zu Hause, dann später im großen Gartenkompost und noch später auf meinen Beeten landet. Aber woher kommt der Kompost aus dem Baumarkt, was fressen die Pferde vom Bauern, dessen Pferdeäpfel wir kaufen und ist am teuren Bio-Kompost wirklich alles bio…? Da die Hersteller Kompost nicht so engmaschig zurückverfolgen wie es z.B. bei Nahrungsmitteln der Fall ist, kann es dann schwierig werden konkrete Empfehlungen für eine Art oder Marke Kompost abzugeben.
Die Herausforderungen industrieller Kompostherstellung
Industriell hergestellter Kompost ist häufig dunkler und nährstoffärmer als selbsthergestellter Kompost, was auf die hohen Temperaturen (bedingt durch die großen Mengen an Biomasse) und die kürzere Rottezeit im industriellen Prozess zurückzuführen ist. Das klingt logisch, denn in der industriellen Herstellung ist das Ziel Effizienz: die Herstellung von möglichst viel Kompost in möglichst kurzer Zeit. Dies hat ganz klar den Vorteil, dass absolut keine Unkrautsamen mehr im Kompost sind. Leider gehen bei der industriellen Kompostherstellung Quantität und Qualität getrennte Wege: Durch die schnellen Prozesse ist am Ende leider nicht wirklich viel Bodenleben in einem plastikverpackten Beutel aus dem Super- oder Baumarkt wiederzufinden.
Neben der Vermutung, dass weniger Bodenleben und die schnelle Verrottung in nur wenigen Wochen zu einer anderen/geringeren Nährstoffzusammensetzung führen und der Nährstoffgehalt schnell erschöpft ist, habe ich zudem Bedenken was die Ausgangsstoffe des Industrie-Komposts angeht:
So erhärtete sich - nach verschiedenen, nicht wirklich erfolgreichen Versuchen mit zugekauftem Kompost - der Verdacht, dass evt. so mancher schädliche Stoff im Ausgangsmaterial den Kompostierungsprozess übersteht und somit dann mein Pflanzenwachstum beeinträchtigt. Ein Beispiel dafür ist Aminopyralid, ein in DACH zugelassenes Herbizid (Unkrautvernichter), das gegen eine Vielzahl von Unkräutern wirkt, aber Gräser nicht schädigt. Deswegen wird es gerne zur Unterdrückung von Unkraut bei der Getreideproduktion eingesetzt. Leider übersteht dieses Herbizid den Kompostierungsprozess sehr gut: “An Cellulose gebundenes Aminopyralid wird unter anaeroben Bedingungen nicht abgebaut und kann nach Ausbringung mit Mist, Gülle, Jauche, Kompost oder Gärsubstrat wieder reaktiviert werden. Dies kann zu Schäden an Nutzpflanzen führen.” Das könnte die schlechte Keimung, kümmerliches Wachstum, Schäden an Blättern bei der Jungpflanzenaufzucht mit gekauftem Kompost erklären. (Quelle: Wikipedia bzw. für Hartgesottene ein ausführlicherer Deep Dive: https://web.archive.org/web/20110419195651/http://www.aelf-we.bayern.de/pflanzenbau/21883/linkurl_30.pdf)
Unser Selbstversuch: Ein methodischer Ansatz zur Kompostbewertung
Um die Auswirkungen verschiedener Komposttypen, Marken, Zusammensetzungen oder aber das Vorhandensein von Schadstoffen wie bspw. Aminopyralid oder anderen Herbiziden im Kompost auf das Pflanzenwachstum systematisch zu untersuchen, ist es naheliegend diese zu testen. Daher haben wir dieses kleine Experiment entwickelt:
Für den Versuchsaufbau benutzen wir unsere Anzuchtplatte. Diese hat 77 Zellen, aufgeteilt in elf Spalten und sieben Reihen.
Wir möchten sieben Kompostsorten testen (2 eigene, 5 gekaufte). Daher befüllen wir sieben Spalten nun mit einer jeweils anderen Kompostsorte. Dann säe oder pflanze/vereinzle ich in jede Reihe unterschiedliche Pflanzenarten wie Salate, Erbsen, Bohnen, Kohl, Tomaten, Zwiebeln oder Rote Beete. Idealerweise von jeder Pflanzenfamilie (einen kleinen Überblick zu den Pflanzenfamilien gibts hier) möglichst einen Vertreter, da unterschiedliche Pflanzen unterschiedlich auf den Kompost reagieren. Diese Methode ermöglicht es mir, unter standardisierten Bedingungen in unserer Growbox (= einheitliche Belüftung, LED-Beleuchtung, Bewässerung und gleiches Saatgut) den Einfluss der Kompostqualität isoliert zu betrachten.
Woran erkenne ich nährstoffarmen bzw. kontaminierten Kompost?
- Samen keinen gar nicht (obwohl Keimfähigkeit vorhanden ist, die Samen frisch und getestet sind)
- Kümmerliches Wachstum (bei sonst idealen Bedingungen wie Licht, Belüftung, Bewässerung)
- Blätter werden blassgrün oder verfärben sich gelb
- Blätter wellen sich oder rollen sich ein
In den nächsten Monaten möchten wir die Ergebnisse unseres Experiments in Form einer Tabelle veröffentlichen, so dass ihr vorab checken könnt welche Marken und Hersteller empfehlenswert sind. Wichtig zu beachten: Die Ergebnisse sind Empfehlungen aufgrund des zu einem bestimmten Datums gemachten Experiments. Sie sind nicht in Stein gemeisselt, aber vermutlich zumindest für eine Saison maßgebend. Warum? Wie auch beim Wein, kann ein Jahr so, das nächste anders ausfallen. Aufgrund verschiedener Einflüsse können Hersteller Lieferanten oder die Zusammensetzung des Materials wechseln, so dass ein ehemals sehr guter bewerteter Kompost im folgenden Jahr evt. auch kontaminiert sein könnte, was v.a. die Jungpflanzenanzucht stark affektiert.
Schreibt uns gern eine Email, wenn ihr ähnliche Experimente gemacht und einen besonders qualitativ guten (oder auch schlechten) Kompost identifiziert habt. Idealerweise schickt ihr uns dann:
- Namen des Herstellers (z.B. Firma XYZ)
- Produkt (Bio-Erde aus xxx mit yyy-Anteil)
- optional Chargennummer (wenn ihr die findet)
- Datum des Experiments (Start)
- Ergebnis (was hat funktioniert, was nicht)?
Viel Spaß beim Testen und stay tuned für unsere Ergebnisse!